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Channel: Alles in allem – Stammhirnrinde
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Ach, was gehts mir gut … darf man das sagen … während Corona?

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Ich habe heute Spätdienst, eigentlich „Mitteldienst“. Ich fange also um 12 Uhr an zu arbeiten. Im Homeoffice. Wegen Corona. Der Weg bis zum Arbeitsplatz tendiert also gegen Null.

Ich habe zunächst, wie so oft in den letzten Tagen und Wochen, ausgeschlafen. Das auch, weil ich gestern den späten Spätdienst hatte und nachts noch lange wach war. Und dann habe ich heute so gegen 10:30 Uhr auf meiner kleinen Terrasse gefrühstückt. In aller Ruhe. Ganz gemütlich. In Jogginghose. Mit Pantoffeln an den Füßen. Und dann habe ich mir noch eine weitere Tasse Kaffee gekocht und noch ein knappes Stündchen ein Buch gelesen, während ein leichter Wind die Äste und Blätter des Wallnussbaumes in meinem Garten durchgewuschelt hat.

Und dabei ging mir bei einem Schluck des richtig guten Kaffees ein wohliger Gedanke durch den Kopf. Mehrmals:

„Ach, was gehts mit gut!“

Und daran schloss sich bald ein weiterer und irgendwie komischer Gedanke an:

Darf man das überhaupt sagen, dass es einem gut geht, jetzt in Zeiten von Corona?

Und? Darf man? Jetzt in Zeiten der Corona-Einschränkungen und Kontaktverbote? Jetzt in Zeiten, in denen manche Unternehmen um ihre Existenz bangen oder diese gerade verlieren? Jetzt, wo wir mit den angeblich ach so schlimmen Mund-Nase-Masken einkaufen oder ins Restaurant gehen müssen? Jetzt, wo sich die eklatante Unfähigkeit von Donald Trump in Toten zählen lässt? Jetzt wo Menschen demonstrieren, weil angeblich unsere Grundrechte abgeschafft werden?

Darf man in solchen Zeiten sagen „Mir geht es gut. Richtig gut.“ Oder muss man „solidarisch jammern“? Muss man sozusagen aus irgend einem breiig-matschigen Mitgefühlspflichtbewusstseinsdingsbumsgedöns heraus in den Chor der Pessimisten einstimmen und derzeit alles schlecht und schei*e finden, über die Politik schimpfen oderdem derzeit arg gescholtenen Bill Gates irgendwelcher obskuren Missetaten und Machenschaften bezichtigen? Also nochmal: Darf man das überhaupt sagen, dass es einem gut geht, jetzt in Zeiten von Corona?

Gutes Wetter, guter Kaffee, gutes Buch – einfach herrlich.

Ja! Ich darf! Und Du auch!

Ja! Man darf! Ich darf! Du darfst! Jeder darf! Betrachten wir es zunächst faktisch und zwar erst einmal auf mich bezogen. Mir geht es tatsächlich gut. Ich bin gesund. Ich arbeite. Ich bin gut gelaunt und fühle mich wohl. Ich genieße durch das Homeoffice das Unhektische des „nicht-zur-Arbeit-fahren-müssens-um-zur-Arbeit-zu-kommen“. Den Menschen in meinem Umfeld geht es allen gut, alle sind gesund. Mir geht es also tatsächlich gut. Und ich muss nicht in anderer Leute Schuhen laufen, sondern nur in meinen. Und deshalb darf ich auch und gerade in Zeiten von Corona sagen:

„Ach, was gehts mit gut!“

Und wenn Du eine ähnliche Bilanz für Dich ziehen kannst, dann darfst Du auch sagen, wie es Dir geht und das es Dir gut geht. Die Deutschen neigen ja leider mitunter zum solidarischen Jammern oder zumindest dazu, das eigene Wohlbefinden zu verschweigen, wenn es anderen eventuell weniger gut oder vielleicht sogar schlecht geht. Keine Ahnung, warum wir dazu eigen, das eigene emotionale Licht sozusagen pietätsgetrieben unter den Scheffel zu stellen.

Vom faktischen zum fucktischen

So, nach dem faktischen kommen wir noch kurz zum „fucktischen“. Ok, 5 Euro in die Wortspielkasse. Wenn ich so lese, was manche im Zusammenhang mit Corona und den aktuellen Konsequenzen aus der Pandemie auf Facebook schreiben und kommentieren – ich darf das auch beruflich lesen und vor allem moderieren – dann kommt einem machmal schon irgendwie der englische Ausspruch „f*ck you“ in den Sinn. Ich sollte vielleicht einen Handel für Aluhüte aufmachen, könnte sich aktuell echt lohnen. Was so mancher Zeitgenosse da für hochgradigen Stuss von sich gibt, ist auf eine gruselige Art faszinierend und abschreckend zugleich. Ein paar WENIGE Kost(tz)probe gefällig? Bitteschön:

„Unter den Mund-Nase-Masken sammelt sich CO2 und man kann ersticken!“

Erstaunlich, dass Chirurgen, Krankenschwestern und Mitarbeiter anderer „maskenpflichtiger“ Berufe, die solche Masken oft für Stunden tragen, nicht massenweise tot umfallen.

„Diese Mundschutzmasken sind ein Maulkorb und sollen die freie Meinungsäußerung der Menschen unterdrücken.“

Keine Ahnung, was sich dieser Kommentator ins Gesicht geschraubt hat, aber ich kann mit meiner Maske – von einer Tante liebevoll selbst genäht – immer noch völlig frei und ungehindert reden und außerdem auch atmen.

„Sofort alle Beschränkungen komplett abschaffen und wieder alles normalisieren. Wir brauchen die Herdenimmunität.“

Würden wir dieses Thema fachlich vertiefen, bräuchten wir mehr Zeit und Text. Nur soviel. Bis tatsächlich eine Herdenimmunität hergestellt wäre, würden Jahre vergehen und zigtausende wegen Corona sterben, die länger leben könnten. Als Beweis mag die USA oder Brasilien dienen. Und die NYT hat dazu einen lesenswerten Artikel online.

„Bill und Melida Gates sind Zyonisten, die die Überbevölkerung der Welt mit Zwangsimpfungen und Sterilisationen reduzieren wollen.“

„Bill Gates hat die WHO gekauft und will den Menschen mit Zwangsimpfungen Chips einpflanzen und sie kontrollieren.“

Ich befürchte, auch ein Aluhut hätte bei diesen Kommentatoren wohl Schlimmeres nicht mehr verhindern können. Und wenn man solche Freaks dann tatsächlich mal konkret fragt „Warum will Bill Gates das?“, kommt: „Dann google mal, dann wirst Du das finden!“ Hab ich. Man findet nichts außer eben Verschwörungsschwurbelkram! Die Tatsache, dass es keine faktischen Beweise für diese Behauptungen gibt, wird mit „Das wird alles von der Politik und den Medien unterdrückt, damit es niemand mitbekommt!“ begründet. Gibt es indes faktische Gegenbeweise für deren krude Thesen, dann „sind das Lügen der Medien (oder von wem auch immer), um von der Wahrheit abzulenken, damit es niemand mitbekommt!“

In Zeiten wie diesen könnte der Vertrieb von Aluhüten eine lohnende Sache sein.

Das ist ja gerade bei diesen Verschwörungstheoretikern das Tolle, dass die sich immer um „intersubjektiv nachvollziehbare Belege“ dieser Behauptungen herum reden. Mal vorne rum, mal hinten rum. Viel behaupten, nichts belegen. Zu Bill Gates wird im Allgemeinen seit Corona extrem viel extrem aller höchstgradig Beklopptes kommentiert. Was der so alles will! Warum sollte er „die Weltwirtschaft vollkommen zertstören“ wollen? Was um alles in der Welt hätte Billyboy davon?

Von den ganz massiv verstrahlten Gestalten wie Attila Hildirgendwas, Xavier Naiirgendwer oder Ken Jebwasweißichwer und deren ganz besonders hochgradigem Schwachsinn, den die in die Welt des Internet erbrechen, wollen wir jetzt hier mal nicht anfangen. Wir wollen heute ja auch irgendwann mal zu Potte kommen.

Was all diesen Fatalismus- und Verschwörungstheorie-getriebenen Kommentatoren aber auch den völlig abstrusen Hirnfürzen dieser Hild-Naid-Jeb’s gemeinsam ist, ist ja folgende These für Deutschland und wohl auch den Rest der Welt: Alles geht aber sowas von den Bach runter. Wir werden alle ganz fürchterlich unterdrückt, verarscht, ausgebeutet, für Dumm verkauft, unserer Grundrechte beraubt, von Diktaturen regiert, von den Medien manipuliert, heimlich von Reptiloiden kontrolliert und so weiter und so fort. Und? Werden wir?

NEIN WERDEN WIR NICHT! WIRKLICH NICHT!

Ganz ersthaft: All das, was diese verwirrten oder von AfD & Ganzrechtsaußen oder anderen wie auch immer getriebenen Kräften verwirrten und verführten Menschen da behaupten, ist hahnebüchener Unsinn.

Uns allen geht es summa summarum nach wie vor und immer noch echt richtig gut. Auch und gerade jetzt in Zeiten von Corona behaupte ich genau das! Man muss nur in andere Länder schauen, nehmen wir nur die USA oder Brasilien als Beispiele, wo Corona schlimme Verheerungen anrichtet, weil die dortige politische Führung nichts auf die Reihe kriegt. Das, weil sie es nicht kann oder viel eher nicht will.

Deutschland ist, was den Umgang mit der Corona-Krise betrifft, in der Tat mustergültig und ein weltweites Vorbild. Wir und die Politik in diesem Land haben die Lage in den gegebenen Umständen wirklich gut im Griff. Ich sage nicht, dass man nicht etwas besser machen könnte. Aber man könnte problemlos vieles schlechter machen. Viel schlechter. Und das genau das nicht geschieht, ist uns allen, von der Politik in Berlin und den Ländern, bis hin zu jedem einzelnen Bürger – zumindest den vernunftbegabten – zu verdanken. Wir machen das gut und – nochmal – es geht uns gut.

Auf was man durch so einen einfachen Gedanken beim vormittäglichen Frühstück alles kommen kann ….


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